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Via Töggelikasten zum Schachbrett gefunden

An den Schweizer Juniorenmeisterschaften in Biel hat Igor Schlegel den U16-Titel gewonnen. Trotzdem kann sich der Berner kaum vorstellen, dass er einmal Grossmeister wird.

Igor Schlegel hat an der Schweizer Juniorenmeisterschaft alle sieben Runden für sich entschieden. Bild: zvg/Simon Bohnenblust

Michael Lehmann, Bieler Tagblatt vom 29.7.21

Sieben Runden, sieben Siege: Igor Schlegel blickt auf «vier fast perfekte Tage» in Biel zurück. Nur fast perfekt war es aus Sicht des 16-jährigen Berners, weil er durchaus Fehler gemacht habe. «Zum Glück konnten meine Gegner dies aber nicht optimal ausnutzen», sagt Schlegel. Er dagegen zeigte sich eiskalt, sobald er in den Partien die Oberhand gewonnen hatte.

So resultierte für Igor Schlegel letztlich der souveräne erste Rang bei den U16. Er ist einer der fünf Kategoriensieger an den Schweizer Juniorenmeisterschaften, die in diesem Jahr im Rahmen des Bieler Schachfestivals ausgetragen worden sind. Schlegel hatte in früheren Jahren bereits bei den U10 und den U12 den Titel gewonnen. Den Sieg heuer
bezeichnet er als «schönen Abschluss». Zwar gibt es auch noch eine U20-Kategorie, in dieser wird der Schweizer Meistertitel aber nicht mehr im Format wie bisher vergeben.

Töggeli-Frust in der Schule

Igor Schlegel bestreitet seit gut neun Jahren Schachturniere. Zum Sport gefunden hat er auf eine eher ungewöhnliche Art und Weise: Als Erstklässler spielte er an seiner Tagesschule über den Mittag gerne Tischfussball. Oft war er allerdings zum Zuschauen gezwungen, da dies auch bei den älteren Schülern beliebt war. «Sie genossen halt eine Art Vorrecht», erklärt Schlegel. Ein Mitleidender erzählte ihm dann, dass es im Lokal des Schachklubs Bern einen Töggelikasten gebe, der kaum je genutzt werde. Vielleicht wolle er ihn ja einmal dorthin begleiten. Schlegel wollte und kam dadurch erstmals mit dem Brettspiel in Kontakt. «Und ja … ich spiele immer noch.»

Am «königlichen Spiel» gefallen hat Schlegel vor allem die Vielschichtigkeit. «In anderen Sportarten erzielt man nach dem grossen Sprung am Anfang meist nur noch langsam Fortschritte. Im Schach ist es anders. Dort gibt es enorm viele Bereiche, in die man sich vertiefen kann.» Davon zeugt nicht zuletzt die grosse Auswahl an Fachliteratur zum Schachspiel. Ausserdem gibt es mittlerweile viele Onlineangebote, um Taktiken zu erlernen und Eröffnungen einzustudieren.

Dies alles nutzt Schlegel mehr oder weniger in Eigenregie. Er sei diszipliniert und trainiere, «ohne dazu angehalten werden zu müssen», schreibt er auf seinem Sporthilfe-Profil. Ganz ohne professionelle Hilfe geht es jedoch nicht. Deshalb tauscht sich der Berner regelmässig per Video-Konferenz mit einem in Österreich wohnhaften Trainer aus.

Eher keine Profikarriere

Vorerst werde er weitertrainieren und nationale wie internationale Turniere bestreiten. Schlegel hofft, sich bald bei den U20 etablieren und da vielleicht nochmals einen Schweizer Meistertitel ins Visier nehmen zu können. «Und
danach nehme ich es, wie es eben kommt.»

Als künftigen Schachprofi wie der acht Jahre ältere Noël Studer – Teilnehmer am Bieler Grossmeisterturnier (mehr in der Infobox) und ebenfalls ein Berner – sieht sich Igor Schlegel allerdings nicht. Auch den Grossmeister, den höchsten Titel für Turnierschachspieler, werde er kaum erhalten. «Natürlich wäre es cool», so Schlegel. «Jedoch braucht es enorm viel Aufwand und Energie, um das geforderte Niveau zu erreichen.» Im Moment widme er seine Freizeit gerne dem Schach. «Aber ob das als Student auch noch in diesem Ausmass möglich sein wird?»